Dokumente zur Geschichte der SEW, Bestand SAPMO-BArch DY 30/J IV 2/10.02/9, Nr. 5
Bestand DY 30/J IV 2/10.02/9, Nr. 5
Klaus Feske, o.D., 5 S., [K]
Am 14.9.1982 empfing der DGB-Landesvorsitzende Michael Pagels den Genossen Klaus Feske, Mitglied des Büros und des Sekretariats, zu einem offiziellen Gespräch.
Zuerst wurden 4 Fragen besprochen:
AEG, Veranstaltung 30.9., Gemeinsame Forderungen, Probleme der Einheitsgewerkschaft.
Genosse Klaus Feske legte den bekannten Standpunkt der Partei zur AEG-Thematik dar und erklärte, daß er bevollmächtigt ist, ihm, dem Landesbezirksvorsitzenden des DGB mitzuteilen, daß die Partei alles unterstützen wird zum Erhalt der Arbeitsplätze.
Er bewertete die Kundgebung am 30.9. als eine gute Sache zur Mobilisierung, da es ja notwendig ist, daß in allen Betrieben und Gewerkschaften über die AEG-Thematik geredet wird und sagte am Rande, es wäre ja gut, wenn der Landesbezirksvorsitzende als Repräsentant des DGB auf dieser Kundgebung alle Arbeitenden der Stadt zur Solidarität mit den Arbeitslosen und mit den um ihre Arbeitsplätze kämpfenden AEG-Kollegen aufrufen würde.
Pagels erwiderte darauf, er sei bereit zu sprechen, er komme nachmittags aus Frankfurt zurück, aber bis jetzt sei an ihn solch eine Bitte nicht herangetragen worden.
Zur AEG teilte er den Standpunkt, daß alle 11 000 Arbeitsplätze gefährdet sind, daß hier scheibchenweise vorgegangen wird und die AEG eine große Lawine von Vernichtung von Arbeitsplätzen in anderen Betrieben auslösen wird. Er ist auch der Meinung, es muß verhindert werden, daß nur eine einzige Maschine aus der Stadt verlagert wird. Leider sind die Beziehungen zwischen den Landesbezirken der IG Metall in der Bundesrepublik und Westberlin nicht gut und vielleicht könnten wir helfen, genau festzustellen, ob es stimmt, daß in Bremen und Essen bereits Fundamente für die hier zu demontierenden Maschinen gegossen werden.
Er gehe auch davon aus, daß keine Konjunktur mehr in der Lage ist, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen, sondern wir uns darüber im klaren sein müssen, daß wir eine Dauerarbeitslosigkeit auf lange Zeit haben werden.
Er brachte dann seine Unzufriedenheit zum Ausdruck über das Verhalten von Jäckel und Wagner und meinte, in der Öffentlichkeit ist ja immer der Eindruck vorhanden, der DGB könne in die IG Metall hineinbestimmen. Dem ist aber nicht so, das weißt du ja. Du kennst aus Erfahrungen den Zustand dieser Gewerkschaftsorganisation. Mir gefällt die defensive Politik von Jäckel und Wagner überhaupt nicht. Es zählt nicht, ob ich Tausende jedes Mal in Bewegung bringe, sondern die politische Aussage, wie ich den Kollegen Argumente in die Hand gebe und meine Politik erkläre. Er stimmte mit mir überein, daß es an der Zeit wäre, daß überall Mitgliederversammlungen stattfinden in der IG Metall, wo die Kollegen erfahren, daß es sich hier nicht um einen Betriebsunfall, sondern um ein umfassendes Konzept handelt.
Er stimmte mit mir weiter darüber überein, daß man gemeinsam überlegen muß, wie man in alle Betriebe und Branchen den Gedanken des Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit hineinträgt.
Wir diskutierten dann die Frage Wirtschaftsrat, Präferenzpolitik und Überführung in Gemeineigentum. Er unterstützte unsere Auffassung, daß Überführung in Gemeineigentum verbunden sein muß mit der Frage der Mitbestimmung und daß zu dieser Frage auch gehört, daß mitbestimmt wird in der Geschäftspolitik, wozu die Handelsbeziehungen gehören. Wir waren darüber einig, daß zur Zeit noch verschiedene Begriffe benutzt werden, wie neue Gesellschaft, Auffanggesellschaft und Gemeineigentum, und wir gemeinsam dafür sorgen müßten, daß deutlich wird, daß in jedem auch die entsprechende Mitbestimmung beinhaltet ist ohne Verluste von Arbeitsplätzen.
Betreffs Wirtschaftsrat – hierüber sollten wir bei passender Gelegenheit eine Diskussion führen, um vielleicht unsere Auffassungen zu vereinheitlichen. Er sieht keine Differenzen zwischen unserem Inhalt für einen Wirtschaftsrat und den bekannten Gedanken der Sozialräte.
Es ist auch notwendig, den Kampf zu verstärken zur Durchsetzung unserer gemeinsamen Forderungen, daß Steuerpräferenzen gebunden werden müssen an Erhaltung und Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Nachdem ich ihm kurz dargelegt hatte die Auffassung der Partei zur Einheitsgewerkschaft und über einige Auseinandersetzungen der 50er Jahre, erklärte er, daß er nicht zu denen gehört, die unserer Partei Gewerkschaftsfeindlichkeit unterstellen, er den Standpunkt der Partei zur Einheitsgewerkschaft anerkennt und akzeptiert und er keinen Anlaß sieht, gegen irgendeinen unserer Funktionäre, die auch als Mitglieder der SEW bekannt sind, etwas zu unternehmen.
Ich machte darauf aufmerksam, daß wir in keinem Falle gewerkschaftliche oder betriebliche Funktionen für parteipolitische Zwecke missbraucht haben, wie es in seinem Hause behauptet wurde, und führte als Beispiel „Die Wahrheit“ von heute an, über die Abreise der Delegation in die Sowjetunion, wo hinter den Namen unserer Delegationsmitglieder in keinem Falle auch nur eine einzige gewerkschaftliche oder betriebliche Funktion geschrieben wurde. Daß aber andersrum in unserer Zeitung Betriebsräte und Personalräte zu ihren Problemen zu Wort kommen.
Daraufhin erklärte Pagels, das halte er für völlig korrekt und dagegen gibt es keine Einwände, wenn Ernst Welters als Ernst Welters und Personalratsmitglied in der „Wahrheit“ einen Artikel schreibt. Bloß es muß so sein, wenn man mit Ernst Welters etwas vereinbart zum gemeinsamen Auftreten, daß er es auch einhält.
Zum Abschluß dieses Komplexes trafen wir folgende Formulierung: Für ihn gehört die Periode des kalten Krieges, die von seinem Vorgänger betrieben wurde in den Gewerkschaften, der Vergangenheit an.
Wir wissen, daß es Probleme gibt zwischen Dir als Kommunisten und mir als Sozialdemokraten, wo wir keine Einigung erreichen. Aber die sollten wir völlig hintan stellen und uns den Dingen zuwenden, die uns einen. Was in meinen Kräften steht, wird alles getan, um die Periode des kalten Krieges zu begraben.
Falls es noch Probleme mit der „Wahrheit“ gibt, Einladungen zu Pressekonferenzen, Gleichbehandlung, so werde ich mich heute noch erkundigen und diese aus dem Wege räumen. Was mit Wischniewski passiert bei der IG Metall, liegt nicht in unserer Macht.
Übereinstimmend stellten wir fest, daß die Mobilisierung der Massen zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, fürArbeitsplatzsicherung verlangt, daß die Gewerkschaften aktiviert werden und sowohl SPD als auch SEW allein das niemals schaffen würden, sondern wir gemeinsam in den Gewerkschaften diese Massenbewegung organisieren müssen.
Was die SPD angeht, sagte er, siehst Du daran, wie beschissen sie sich im Abgeordnetenhaus verhalten haben.
Er lobte den Brief unserer Partei an die SPD- und AL-Fraktion als ein Politikum, wodurch Markierungssteine gesetzt wurden, man die Positionen der SEW genau sieht und feststellen muß, es gibt keinen anderen Ausweg. Durch diesen Brief und den Brief der Vertrauensleute in der Drontheimer Straße ist ihm bekannt, daß sowohl in der Fraktion wie in den Gewerkschaften und bei den Betriebsräten eine breite Diskussion ausgelöst wurde.
Betr. Hausinstandbesetzer
Er erklärte, daß er im Landesbezirksvorstand zu dieser Frage eine komplizierte Situation vorgefunden hat und jetzt zufrieden ist, daß dies sich jetzt langsam ordnet und der Landesbezirksvorstand auf Verhandlungen und ordentliche Abwicklung mit diesen Kräften drängt, aber einige Rechte sich immer wieder einzelne Chaotenzwischenfälle herausgreifen, um den Versuch zu unternehmen, von diesem Konzept wegzukommen, und dabei hilft ihnen sogar Lummer. Lambsdorff hat mit seinem Plan gestern offensichtlich überzogen. Die CDU wird nur die Hälfte davon nehmen als konservative Politik und wird sich bei den Kollegen darstellen als Retter des sozialen Friedens, so ist leider unsere Lage. Die Kollegen begreifen nicht, was vor sich geht. Wir stehen als Gewerkschaften mit dem Rücken an der Wand.
Was 1. Mai, 1. September und 8. März betrifft, das sind für mich Daten, an denen es keine Veränderungen mehr gibt. Über Zahlen kann man streiten, für mich ist die entscheidende Frage, was dort gesagt wurde, welche Inhalte die Demonstrationen haben. Ich stimme mit Dir überein, wenn Du sagst, daß die vergangenen Demonstrationen immer mehr widerspiegelten den Gedanken des Friedens und die wahren Sorgen und Probleme der Kollegen aus den Betrieben. Ich hatte es sehr schwer, mich in der Friedensfrage durchzusetzen.
Was den 8. März betrifft, das werde ich nicht so demonstrieren, daß es als DGB gemacht wird, sondern hier muß so organisiert werden, daß die Abteilung Frauen des DGB diesen Tag organisiert.
Was die Ortskartelle betrifft, das ist von mir eine langfristige Planung, um die Gewerkschaften wieder beweglich und kampffähig zu machen.
Zurückgekehrt zur AEG-Problematik waren wir uns darüber einig, wir brauchen eine Aussage von Ökonomen und Wissenschaftlern über die Möglichkeit der Strukturierung eines Gemeineigentumsbetriebes, der selbstverständlich unter Konkurrenzbedingungen besteht. Es wäre auch gut zu wissen, ob sich Handelsmöglichkeiten in Richtung der sozialistischen Staaten ergeben, wozu natürlich gehören würde, daß der Senat die entsprechenden Vereinbarungen absichern müßte.
Wir verblieben so, daß der Kontakt aufrechterhalten wird und daß man sich gegenseitig informiert, vielleicht auch manchmal, bevor es in die Presse gesetzt wird.
Wir verabschiedeten uns so, daß wir in spätestens 8 Wochen uns wieder sehen.
(Unterschrift: Klaus Feske)